Heimat - immer ein bisschen ding
Ich
liebte es, im Sommer auf der Terrasse des Hotelrestaurants zu sitzen.
Das elegante Restaurant einmal durchquert, gelangte man über ein
paar Stufen auf eine große Terrasse. Immer etwas Besonderes die
Abende dort mit meiner Großmutter.
Unter
uns die Lichter der Kleinstadt. Der Anblick friedlich und vertraut.
Mit
dem Jugendfreund blicke ich auf die Lichter. Mittlerweile ist die
wellige Rasenfläche, die sanft den Blick nach unten begleitete,
begradigt. Die Terrasse klein, eng und gewöhnlich, der erinnerte
Zauber vergangen.
Seit
20 Jahren lebe ich fern der Region, in der ich aufwuchs. Dort wollte
ich nur eins: weg! weg! raus der süddeutschen Kleinstadt, in einer
großen Stadt leben.
Doch
seit einem Jahr war sie auf einmal da. Eindringlich sehnte ich mich
nach Süddeutschland, Heimat. Eine Sehnsucht, die sich zunächst nur
kulinarisch bestimmen ließ. Nach Jahren, in denen fremde Küchen,
vor allem die italienische, gleichbedeutend waren mit Genuss, überkam
mich eine Lust auf Brezn, Leberkässemmeln, Obatdzn …
Serien,
die das München meiner Kindheit und Jugend wachrufen, stützten
diese Sehnsucht. Das Leben der Künstlerclique in Edgar Reitz'
Zweiter Heimat ruft das Sehnen der Jugendlichen nach einem anderen
Leben wach. Ein Leben kreativ im Kreis von Freunden - letztlich auch
dieses tragisch. Befreiender und eigene Fernseh-Erinnerung sind die
Geschichten um Monaco Franze, den ewigen Stenz.
„Immer
das Gschieß mit der Elli“ wird über Wochen mein augenzwinkernder
innerer Kommentar zu allem, was den meinen Alltags beeinträchtigt.
„Immer das Gschieß“ mit den Aufzügen, sage ich mir, sehe ich
schon von Ferne den roten Aufkleber, der signalisiert dass sich die
Türen nicht öffnen werden, und ich zu spät komme. „Immer das
Gschieß“ mit dem steifen Bein, seufze ich, weigert es sich wieder
einmal, das zu tun was ich möchte.
„Immer
das Gschieß mit …“ wurde zur erleichternden Haltung, die jeden
Konflikt auf Distanz rückt.
Eine
Reise über Pfingsten nach Italien mit einer, mir bis dahin
unbekannten Gruppe aus meiner Region, stellt die Sehnsucht nach der
alten Heimat in Frage. Wie vertraut der Klang der Sprechweise, gerade
heraus, selbstsicher und behäbig. Doch schon in den ersten Tagen
wird klar: die Direktheit nervt. Ob die Kleidung angemessen, ob die
Reise mit einem zweimonatigen Säugling angezeigt, und wie der
Verlauf meiner Erkrankung einzuschätzen ist …, alles wird
kommentiert. Ungefragt. Plump
Bei
meiner Heimkehr empfangen mich italienische Temperaturen auch hier.
Ich bin zurück. Heimat ist, wenn ich den Fernsehturm sehe.
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